People of SFL: Gasslbauer Hans Pittl
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Von der Kuh bis zum Käse im Regiomat
4.30 Uhr. Der Wecker von Hans und Sohn Robert klingelt. Es ist Zeit, aufzustehen, um die Kühe zu melken. Deshalb heißt es: Raus aus den Federn, Zähne putzen, ein Glas Wasser trinken, rein in den Stallanzug, ab in die Gummistiefel und los geht’s. Der Stall liegt direkt unter dem Haus, in dem Hans mit seiner Frau Magdalena und den zwei Söhnen Robert und Andreas wohnt. “Das ist natürlich eine Luxus-Situation, so können wir immer nach unserem Vieh schauen, ohne wegfahren zu müssen. Wir sind also Tag und Nacht für unsere treuen vierbeinigen Mitarbeiterinnen erreichbar“, betont Hans.
Hallo Fiona
Als wir gemeinsam in den Stall gehen, erwartet uns bereits eine Überraschung. Felicitas hat ein Kälbchen bekommen. Vermutlich ist es in der Nacht zur Welt gekommen, da es zwar noch etwas wackelig, aber munter durch den Stall spaziert. Nachdem erst vor kurzem ein Kälbchen Namens Shrek auf die Welt gekommen ist, war sofort klar, dass dieses kleine Mädchen nun Fiona heißen muss. Mama Felicitas säubert Fiona, bis sie schließlich mit der Flasche gefüttert wird. Für Hans und Robert ist eine Geburt zwar nichts Neues mehr, da sie bereits viele Kälber mit auf die Welt gebracht hatten, jedoch freuen sie sich bei jedem Kälbchen, wenn es gesund und munter ist. Für mich ein wirklich toller Moment!
Kühe Melken
Nach der Erstversorgung der frisch geborenen Fiona geht es weiter. Es wird ausgemistet, die Kühe bekommen frisches Heu und werden dann anschließend gemolken. Doch wie wird überhaupt gemolken? Melkmaschine anhängen und los geht’s? Nein, nein. Erstmal muss „angemolken“ und danach die Zitzen gesäubert werden. Ein Stimulieren bis die Zitzen prall sind, darf nicht vergessen werden, denn dabei wird das Hormon Oxytocin von den Hirnanhangsdrüsen ausgeschüttet, was die Milch aus dem Euter rinnen lässt. So wird die Kuh darauf vorbereitet, dass es gleich mit dem Melken los geht. Die Melkbecher werden angehängt, die Kuh wird gemolken und das Euter verkleinert sich. Doch bereits das Anhängen des Melkbechers ist gar nicht so einfach, wie es ausschaut. Robert erklärt mir, dass man besonders darauf aufpassen muss, die Zitzen nicht im Melkbecher einzuklemmen oder einzudrehen. Die Milch geht direkt über eine Verbindung ins Haus hoch in einen Tank, wo sie anschließend verarbeitet wird.
3-Gänge-Menü zum Frühstück
Auch die Kälbchen haben Hunger. Ich darf Hand anlegen und übernehme die Aufgabe des Fütterns. Erst die Milch, dann das Müsli und zum Nachtisch ein bisschen Heu. Ein 3-Gänge-Gaumenschmaus für die kleinen Vierbeiner, damit sie groß und stark werden.
Neben den 16 Milchkühen und neun Kälbchen warten draußen noch weitere Jungtiere und die Schafe eine Etage höher. Mit der Haltung von insgesamt 46 Stück Tiroler Grauvieh, einem Stier, dem „hottest boy in town“, vier Mutterschafen, einem Widder und vier Lämmchen hat der Gasslbauer in der Früh, zu Mittag und am Abend reichlich zu tun. Nachdem alle Tiere versorgt sind, die Milch in den Kessel gepumpt wurde, alles gespült und ordentlich verräumt ist, geht es in die warme, gemütliche Bauernküche, um mit der restlichen Familie zu frühstücken.
Ran an den Käse
Nach dem Frühstück machen Hans und ich uns an die Arbeit. Es ist Zeit, Käse herzustellen. Ganz gespannt verfolge ich den beeindruckenden Prozess, den ich euch nicht vorenthalten will:
1. Milch wird erhitzt
2. Milchsäurebakterien werden hinzugefügt
3. Lab zum Verdicken wird hinzugegeben
4. Schnitttest wird gemacht
5. Käse wird geschnitten
6. Es wird weiter gekäst bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist
7. Käse wird in vorbereitete Käseformen abgefüllt
Sobald die Käseformen randvoll gefüllt sind, wird der Käse nach circa 20 Minuten das erste Mal gewendet. Dies geschieht dann etwa fünf Mal, alle halbe Stunde. Anschließend muss der Käse 12 Stunden ruhen, bevor er aus den Formen genommen wird und gesalzen werden kann. Vierundzwanzig Stunden bleibt er im Salz und ruht dann solange bis er die Reifezeit überwunden hat und zum Genießen in den Automaten oder auf die heimische Brettljausenplatte kommt.
Ein langer Prozess, der sich definitiv lohnt.
Arbeit gibt es genug
Während ich die Aufgabe bekomme, den Käse jede halbe Stunde zu wenden, machen sich Hans und Andreas auf den Weg, um ein paar Erledigungen abzuarbeiten. Ich überrasche die beiden um zwölf Uhr mit einer frisch gekochten Kürbissuppe, die ich neben dem Käsewenden und Joghurtabfüllen gezaubert habe. Nach dem Mittagessen muss Andreas zu seiner Arbeit. Hans und ich fahren nach Überwasser, um den Zaun abzubauen. Der Wind weht und es ist kühl, aber die Arbeit muss trotzdem erledigt werden. Um etwa halb drei sind wir dann schließlich fertig und fahren zurück zum Hof. Der Automat muss gefüllt und noch ein paar andere Dinge erledigt werden, bevor ein bisschen Zeit für Kaffee und Lebensgeschichten bleibt.
Student oder Senner?
Hans plaudert während der Arbeit auf der Wiese aus dem Nähkästchen. „Die Ladies sind mein Leben!“, so Hans. Mit Ladies meint er seine Tiroler Grauviehkühe. Hans wollte bereits im Kindesalter in der Landwirtschaft arbeiten. Es war schon immer sein Traum. Doch nach seiner Matura zog es ihn zuerst nach Wien, um dort zu studieren. War es das, was er wirklich wollte? Schnell merkte er, dass ihn das Studium nicht erfüllte und so machte er daraufhin eine Ausbildung zum Senner, um auf der Komperdellalm in Serfaus als Senner zu arbeiten. Dies spielt ihm heutzutage sehr in die Karten, denn er kann die Milch seiner „Ladies“ direkt zuhause verarbeiten.
Ein Tag am Bauernhof in Ladis
Mein Fazit
Ein spannender Tag beim Gasslbauer neigt sich dem Ende zu. Mit einem selbstgebrannten Vogelbeerschnaps lassen wir den Abend ausklingen. Ich bewundere die ganze Familie, denn die Energie, Liebe und der Familienzusammenhalt, die sie mit in den Betrieb bringen, macht diesen erst so einzigartig. Nach dem Abendessen geht Hans nochmals in den Stall, denn eine abendliche Runde durch den Stall darf niemals fehlen. “Gute Nacht meine Ladies, bis morgen!“, lächelt Hans seinen großen und kleinen Vierbeinern zu und schließt die Stalltür.